Juergen Meyer

Texte

.......................................................................................................................................................................

Jürgen Meyer - "Malerei Fest und Flüssig 1"

"Im Entstehen sehe ich - im Sehen lasse ich entstehen" von Dagmar Behr

download als PDF

Das in den Titel gestellte Zitat von Jürgen Meyer gibt entscheidende Hinweise zur Arbeitsweise eines Malers, der sich unabhängig von Zeitgeist oder konzeptuellem Diktat mit seinem Thema auseinandersetzt. Die Werke Jürgen Meyers bilden keine Gegenstände ab, sondern haben die Malerei an sich, genauer die Farbe und ihre Verarbeitung im Vorgang des Bildmalens zum Inhalt. Die Bilder entstehen, wie der Künstler beschrieben hat, aus dem sich auf den Malvorgang einlassenden Sehen. Dieses Sehen nimmt beim Bewegen der Farbe über den Bildträger Spannungsmomente wahr, greift diese auf und konzentriert sie oder entlässt sie in einen weiterführende Bewegung, die wiederum zu neuen, unvorhergesehnen Bildzusammenhängen führt.

Mitte der achtziger Jahre untersuchte eine Anzahl amerikanischer und europäischer Maler mit der so genannten radikalen Malerei die Möglichkeiten einer Farbmalerei, die ohne gegenständliche Rückbindung allein in ihrer jeweils unterschiedlichen Ausdrucksqualität wahrgenommen werden wollte. Auch den abstrakten Bildern Jürgen Meyers ist eine sinnliche Wirkung immanent und die Farbe ist hierfür eine wesentlicher Faktor. Doch resultiert diese Wirkung nicht vordergründig aus der reinen Farbe, sondern vielmehr aus der Art und Weise wie diese dem Maler "den Pinsel führt". Die Skala der verwendeten Ölfarben ist auf im Handel erhältliche Grundtöne beschränkt – Grün, Rotorange, Violett, Grau, Weiß und Schwarz und verschiedene Bronzefarben. Jürgen Meyer verwendet eine ausgewählte Farbe, die auf weißem Ölfarbgrund mit einer zweiten oder dritten in Zusammenhang gebracht wird oder auch in direkten Dialog mit der weißen Leinwandgrundierung tritt bzw. als einzelne Farbe, in mehreren Schichten aufgetragen, die Leinwand vollkommen bedeckt. Beim Aufstreichen, Verschieben, Einritzen, Ziehen oder Gießen und Verlaufen lassen der Farbe wird deren materiale Qualität aufgelöst und zugleich eingebunden in die Bewegung des Malaktes. Mitunter werden zwei kontrastierende Farben durch einen einzigen Gestus verbunden, netzartige Strukturen gezogen, beinahe plastisch wirkende Farbmengen aufgetragen oder fließend bewegte Farbe in kleinen Inseln stehen gelassen. So sehr die Arbeitsweise Jürgen Meyers eine Spontanität in der Umsetzung voraussetzt, so deutlich ist auch ein behutsames und sensibel abwägendes Ausbalancieren der Bildzusammenhänge für den Betrachter erkennbar. Im Prozess der Bildfindung erprobt der Maler die Möglichkeiten und Vorgaben des ausgewählten Farbmaterials. Die Bildfläche wird hierbei der Farbe untergeordnet. In einem gleichzeitigen bzw. wechselseitigen Prozess zwischen Planen und Reagieren führt Jürgen Meyer seine Malerei hin zu dem Moment, in dem das vollendete Bild für ihn sichtbar wird. Indem der Betrachter aus den abstrakten Farbbewegungen und Setzungen durchaus sehr persönliche Assoziationen oder Empfindungen wahrnehmen kann, ist auch ein solches abgeschlossenes Bild nicht endgültig festgelegt.

Ein Teil der 1992 im Rahmen der documenta IX gezeigten Arbeiten von Jürgen Meyer waren vordergründig zunächst einmal grün. In mehreren Lagen wurde die glänzende Ölfarbe mit dem Flachpinsel über die Leinwände gestrichen. Sie ließ auf dem Wege Randspuren stehen oder kehrte um in die gegenläufige Richtung, und dominierte letztendlich mit ihrer materialen Energie die Fläche – wurde Bildkörper. Die im Kunstverein ausgestellte Werkgruppe um 1990 entstandener kleinformatiger, grüner Bilder lässt erkennen, wie in diesen früheren Arbeiten das Licht die Kommunikation sucht, wenn es über glattgestrichene Oberflächen gleitet oder sich in den Spuren der Farbe verfängt. Ab Mitte der neunziger Jahre verwendete Jürgen Meyer ausschließlich kleine und mittelgroße Leinwände für seine Bilder und setzte Violett oder Schwarz mit grauer Farbe in Kontrast. In dieser Werkphase wurde erstmals auch eine aus Bronzestaub gewonnene Metallfarbe genutzt. Die so entstandenen Arbeiten kennzeichnen eine rauere Textur und ein eher kompakt zu nennendes Erscheinungsbild. Ein ganz anderes Farbmaterial entdeckte der Maler Ende der neunziger im zunächst luziden Harz, welches aber mit der Zeit eine warme, gelblich-weiße Farbigkeit entwickelt. Das Harz wurde mit dem Spachtel lasierend über die weiße Leinwandgrundierung gezogen und darüber in weiteren Schickten unregelmäßig warmrote Ölfarbe aufgetragen. Mit Hilfe des Malwerkzeugs konnte die Farbe verschoben oder auch wieder abgetragen werden. Das Weiß der Grundierung wurde dabei an einigen Stellen erneut sichtbar und behauptet, wie in der Ausstellung zu sehen, einen selbständigen Farbwert. In den letzten Jahren entstanden einige großformatige Bilder, auf denen gestische, sich mehrfach durchdringende Farbbewegungen ein tiefes Violett mit dem gelblichen Harz und der weißen Farbe der Leinwand zu gitterartigen Strukturen verbinden. Zwischen den über Harz ausgezogenen Farbschleiern der Ölfarbe und linear geführten Farbabtragungen, welche das darunter liegende Weiß visuell in den Vordergrund setzen, bleibt der Raum für den Eindruck einer Bildtiefe. Der Dualismus von dunklem Violett und lichter Farbigkeit von Harz und Grundierung verleiht den Bildern einen zusätzliche Spannung. Für seine neuesten Werke stellt sich der Maler Jürgen Meyer den materialen Eigenschaften der aus Bronzestaub gewonnenen Feuchtschliffbronze und probiert sich – die suggestiven Qualitäten einbeziehend – in allen Spielarten, die dieses Material erlaubt. Die verschiedenen Färbungen des Bronzestaubs sind durch unterschiedliche Zusammensetzungen der Legierung erzeugt und variieren von Naturkupfer über mattgoldenes Reichgold, goldgelbes Reichbleichgold und rötliches Bleichgold bis zur Silberbronze. Der Titel der Ausstellung verweist darauf, wie diese Malerei entsteht. In dem die pulverförmige Farbe zunächst mit Bindemittel angemischt wird und dann mit Balsamterpentinöl bis zur gewünschten Konsistenz verdünnt werden kann, findet sie im Bild auf sehr unterschiedliche Weise Verwendung. So hat Jürgen Meyer einzelne Portionen sämiger Silberfarbe in einer bogenförmigen Anordnung direkt auf die weiße Grundierung gesetzt, zähflüssige Kupferfarbe organische Figurationen bilden lassen oder die Silberfarbe auf feuchtes Harz gegossen, die an ihren auslaufenden Rändern einem farbverändernden, chemischen Prozess unterliegt. Manche Bilder werden mehrfach übergossen und wachsen an Volumen, und mitunter ziehen Farben eine zuvor gegossene andere Farbe mit oder bilden kleine Farbinseln innerhalb der zuletzt geschlossen liegenden Oberfläche. Die Symbiose von Formen und Verläufen führt besonders bei den gegossenen Arbeiten zu Beziehungsgeflechten, die der Maler nur noch bedingt zu beeinflussen vermag und deren bildberuhigende Wirkung ihn zunehmend interessiert.

-Dagmar Behr